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«Ohne Autorinnen und Autoren gäbe es kein Jubiläum»

Was im Jahr 2000 im kleinen Rahmen begann, ist über die letzten 25 Jahre zum grössten privaten Lernmedienverlag des Landes mit rund 50 Mitarbeitenden herangewachsen. Mittlerweile ist der hep Verlag nicht mehr aus der Schweizer Bildungslandschaft wegzudenken. Dies verdankt er nicht zuletzt seinen engagierten Autor*innen. Doch wie kommt jemand dazu, für einen Lehrmittelverlag zu schreiben? Was benötigt es dafür und wie sieht die Arbeit aus? Wir sind diesen und anderen Fragen nachgegangen und haben festgestellt: Um ein gutes Lehrmittel herzustellen, sollten sich Autor*in und Verlag auf Augenhöhe begegnen.

Text: Sebastian Weber

Das Licht ist gelöscht, die Stimmen verklingen, die 25 Kerzen auf der Torte brennen und wir wünschen dem hep Verlag «Alles Gute» zum Jubiläum. Ein ganzes Vierteljahrhundert existiert der Berner Lehrmittelverlag nun schon. 25 Jahre, in denen dieser zum grössten privaten Lernmedienverlag der Schweiz mit fast 900 lieferbaren Titeln avanciert ist. Eine grosse Zahl von engagierten Menschen hat in dieser Zeit viel Herzblut in den Verlag gesteckt, allen voran der mittlerweile pensionierte Mitgründer Peter Egger. Die verschiedenen Jubiläumsveranstaltungen in diesem Jahr seien als Dankeschön zu verstehen, sagt Geraldine Blatter, Mitglied des Leitungsteams. Ein besonderer Dank gehe an die über 1000 Autor*innen, die mittlerweile für den hep Verlag tätig seien. «Ohne sie gäbe es kein Jubiläum.» Doch wie kommt es dazu, dass jemand für den hep Verlag zu schreiben beginnt? Die Antwort auf diese und weitere Fragen liefern wir hier.

Wie finden Verlag und Autor*in zusammen?
Es gibt unterschiedliche Wege, wie der hep Verlag und seine Autor*innen für ein Projekt zusammenkommen. Bei den Lehrmitteln sei es meist so, dass die interessierten Personen sich mit einer Idee oder bereits einem Manuskript beim Verlag melden, erzählt Bettina Jossen. Die erfahrene Lektorin und Projektleiterin betreut primär Allgemeinbildungssowie Auftrags- und Kommissionswerke und hat in ihren rund elf Jahren beim hep Verlag mit zahlreichen Autor*innen zusammengearbeitet. Manchmal komme es auch vor, dass der Verlag Personen für ein bestimmtes Projekt suche und diese gezielt kontaktiere. Eine eingereichte Projektidee wird vom Lektorat und der Programmleitung geprüft. Interessiert sich der Verlag dafür, kommt es in der Regel bald zu einem ersten persönlichen Treffen.

Einen grossen Teil der neuen Autor*innen lerne der Verlag über seine zahlreichen Kontakte kennen, die etwa an Vernissagen oder Kongressen zustande kämen, erzählt Jossen. Besonders wichtig sind diese Kontakte für die Bereiche Pädagogik und Didaktik. «Wir haben uns über die Jahre ein grosses Netzwerk aufgebaut», sagt die Lektorin und Projektleiterin Susanne Gentsch, die beim hep seit über zehn Jahren Projekte aus dem Bereich Pädagogik betreut. Während sich bei den Lehrmitteln vor allem Lehrpersonen meldeten, sind es bei der Pädagogik meist Institutionen wie die Pädagogischen Hochschulen (PH), die mit einer Projektidee an den Verlag herantreteten.

Weshalb sollte jemand Autor*in werden?
Der hep Verlag sei sehr stark auf seine Autor*innen angewiesen, sagt Bettina Jossen. «Wir können die Bücher schliesslich nicht selbst schreiben.» Zwar haben mehrere Personen aus dem vierzehnköpfigen Lektorat Germanistik studiert und vier von ihnen sind selbst Lehrpersonen. Die Fachexpertise der Autor*innen, bei denen es sich fast immer um aktive oder ehemalige Lehrpersonen handle, sei aber sehr wichtig, so Jossen. «Sie kennen die Bedürfnisse der Lehrerinnen und Lehrer sowie der Lernenden ganz genau, und können uns daher entscheidende Hinweise liefern.» Nur über diesen Austausch, so bestätigt Geraldine Blatter, gelinge es einem Lehrmittelverlag, immer auf dem Laufenden zu bleiben: «So bilden wir uns weiter, so erfahren wir, wo der Schuh im Unterricht drückt.» Der Verlag sei dadurch auch näher an Reformen und an digitalen Entwicklungen dran, sagt Blatter.

Doch nicht nur der Verlag, auch die Autor*innen profitieren von der Zusammenarbeit. Einige sogar sehr unmittelbar, wenn sie zum Beispiel an einer PH arbeiten und verpflichtet sind, ihre Forschungsergebnisse zu publizieren. Zudem können sie das Lehrmittel, das sie für den Verlag schreiben oder mitverfassen, anschliessend im eigenen Unterricht einsetzen. Laut Geraldine Blatter greifen jene Lehrpersonen, die sich aus eigener Initiative beim Verlag melden, oftmals auf ihre persönlichen, langjährigen Unterrichtsmaterialien zurück. Wobei die Idee für ein neues Lehrmittel fast immer aus einem dringenden Bedürfnis heraus entstehe: «Die Lehrpersonen stellen fest, dass ein bestimmter Aspekt im bestehenden Lehrmittelangebot fehlt.»

Bettina Jossen glaubt, dass die Tätigkeit als Lehrmittelautor*in – gerade für die jüngeren unter ihnen – eine Möglichkeit sein kann, sich einen Namen in der Bildungslandschaft zu machen. Diese Motivation, sich zeigen zu wollen und an Renommee zu gewinnen, ist laut Susanne Gentsch auch bei vielen Autor*innen aus dem Pädagogikprogramm spürbar. Und Geraldine Blatter meint: «Eine Lehrperson kann sich eine gewisse Glaubwürdigkeit an ihrer Schule verschaffen, indem sie ihr eigenes Lehrmittel bei hep veröffentlicht.» Eine Publikation bedeute, dass der Verlag von der Qualität des Lehrmittels und somit des Unterrichts dieser Person überzeugt sei.

Manchmal strahlt ein neues Lehrmittel sogar über den Unterricht hinaus: «Der Einfluss der Autor*innen auf die verschiedensten Bildungsthemen kann sehr gross sein», glaubt Bettina Jossen. «Wenn wir ein Lehrmittel herstellen, das sich mit wichtigen Fragen auseinandersetzt, nehmen wir damit automatisch an der öffentlichen Debatte teil.» Durch eine Publikation könne öffentliche Aufmerksamkeit generiert werden, so wie das im Fall des Buchs ‹No to racism› geschehen sei, sagt Jossen. Dieses Buch habe dazu beigetragen, eine erneute Diskussion anzustossen über das Thema Rassismus an den Schulen.

Was sollten angehende Autor*innen mitbringen?
Grundsätzlich können sich alle Menschen beim hep Verlag melden. «Ob jung oder alt, egal welchen Geschlechts», sagt Bettina Jossen. Um Autor*in zu werden, benötige es vor allem viel Motivation und Leidenschaft sowie Flexibilität und Offenheit, gemeinsam mit dem Lektorat ein Projekt zu realisieren. Es gehöre die Bereitschaft dazu, auf die Anmerkungen des Lektors oder der Lektorin einzugehen und auch mal eine Stelle im Text umzuschreiben. Weiter brauche es eine gewisse Selbstdisziplin, wenn es um die Einhaltung von Terminen gehe.

Natürlich wird vorausgesetzt, dass die nötige Kompetenz für jenen Fachbereich vorhanden ist, über den eine Person schreibt. «Du musst als Autor*in an aktuelle Tendenzen anknüpfen können», sagt Susanne Gentsch, die es in der Pädagogik fast immer mit Personen aus der Wissenschaft zu tun hat. Diesen Eindruck teilt Geraldine Blatter: «Als Autor*in ist es wichtig, gut vernetzt und nahe an den Lernenden dran zu sein, um deren Lebenswelt in den Lehrmitteln abbilden zu können.» Fehlende praktische Erfahrung sei zwar kein Ausschlusskriterium. «Wenn uns aber jemand, der nicht aus der Praxis kommt, ein Konzept zuschickt, empfehlen wir, eine Person dazuzuholen, die aktiv unterrichtet», so Blatter. Sei das nicht möglich, so lasse der Verlag das Projekt vorab von aktiven Lehrpersonen evaluieren.

Wer sich beim hep Verlag meldet, sollte idealerweise erste Teile eines Manuskripts einreichen. Des Weiteren müsse ein gut formuliertes Grundkonzept von rund eineinhalb Seiten vorhanden sein. Bettina Jossen rät zudem, sich frühzeitig zu melden: «So kann das Lektorat noch hilfreiche Inputs geben, was allenfalls in dem Lehrmittel noch ergänzt werden sollte.» Wichtig sei ebenfalls, dass der*die Autor*in eine Vorstellung davon habe, welches Zielpublikum mit dem Lehrmittel angesprochen werden soll.

Idealerweise, sagt Susanne Gentsch, lasse sich anhand eines Manuskripts oder eines Konzepts erkennen, ob jemand gut genug schreiben könne, um seinen Text über einen Verlag publizieren zu können. Gerade bei einem pädagogischen Werk sei es wichtig, dass eine Person die nötige Schreibkompetenz besitze, um ein zusammenhängendes Werk von über 100 Seiten verfassen zu können. Bei den Lehrmitteln sei dies ebenfalls eine wichtige Voraussetzung, meint Geraldine Blatter: «Ein*e Autor*in sollte stringent, strukturiert und dabei lebensnah schreiben können.»

Wie sieht die Arbeit als Autor*in aus?
Wenn sich Verlag und Autor*in über das Projekt einig sind, wird ein Vertrag unterzeichnet und ein Terminplan festgelegt. Die Pflicht der Autorenschaft sei es anschliessend, bis zum festgelegten Termin ein komplettes Manuskript abzuliefern, sagt Bettina Jossen. Sobald das Manuskript vorliegt, beginnt die Lektoratsarbeit. Die Korrekturen und Kommentare werden vom Lektor oder der Lektorin in einer Word-Datei im Korrekturmodus erfasst. Anschliessend geht das Manuskript zurück an den*die Autor*in, damit diese*r den Text überarbeitet. Autor*innen haben die Pflicht, gleichzeitig aber auch das Recht, den ganzen Produktionsprozess eng zu begleiten, sagt Bettina Jossen. So dürften sie bei der Wahl des Titels, des Layouts, der Schrift oder bei der Umschlaggestaltung mitreden. «Wir stellen ihnen verschiedene Varianten zur Auswahl.» Weiter können sie das Lehrmittel erneut prüfen, sobald der erste Umbruch mit dem gelayouteten Text als PDFDatei vorliegt. Danach begleitet die Autorenschaft den Prozess weiter bis hin zum Gut zum Druck.

Der Aufwand für die Autor*innen variiert von Projekt zu Projekt und hängt laut Bettina Jossen unter anderem davon ab, wie komplex ein Lehrmittel ist. Es könne bei einem Projekt, das noch ganz am Anfang stehe, über ein Jahr dauern, bis das gedruckte Buch oder die digitale Ausgabe fertiggestellt seien. Die Faustregel sei aber, dass der ganze Prozess ungefähr sechs bis sieben Monate Zeit in Anspruch nehme. Später, wenn es darum geht, für eine Neuauflage die Texte zu überarbeiten, ist der Aufwand in der Regel deutlich kleiner.

Die grosse Mehrheit der Autorenschaft schätze es, intensiv an der Produktion beteiligt zu werden, sagt Geraldine Blatter. «Es ist aber wichtig, von Beginn an transparent zu sein und klar zu kommunizieren, dass der ganze Prozess viel Arbeit bedeutet.» Sie gibt zu bedenken, dass die meisten Autor*innen die Arbeit für den Verlag berufsbegleitend erledigen, etwa nach Feierabend, am Wochenende oder in den Ferien. «Trotzdem ist der Aufwand stemmbar», meint Blatter. Auch weil der Verlag die Autorenschaft bei der Organisation unterstütze, stark auf ihre Arbeitsweise eingehe und verschiedenste Arbeiten für sie übernehme wie zum Beispiel die Abklärung der Bildrechte.

Zu den Aufgaben, die der Verlag übernimmt, gehört ebenfalls die Herstellung des gedruckten Buches oder des digitalen Lehrmittels. Diese Arbeit bleibt von den Autor*innen meist weitgehend unbemerkt. Dabei beginnt die Herstellung des hep Verlags bei einem neuen Projekt häufig schon sehr früh mit ihren Abklärungen. Schliesslich müsse ein neues Buchprojekt irgendwann budgetiert werden, sagt die langjährige Herstellungsleiterin Irene Kleiner, die ebenfalls dem Leitungsteam angehört. Es müsse zuerst die Machbarkeit geprüft werden. «Ist es kein alltägliches Projekt, werden Richtpreise eingeholt und man lässt verschiedene Varianten für die Umsetzung eines Lehrmittels ausarbeiten.»

Bei grösseren Printprojekten tausche sich die Herstellung schon früh mit einem Grafiker oder einer Grafikerin aus, sagt Irene Kleiner. Es werde dann etwa die Frage diskutiert, wie der Umschlag gestaltet werden soll, ob es darauf zum Beispiel eine bestimmte Prägung gibt oder welche Papiersorte für den Druck ausgewählt wird. «Gerade bei spezielleren Projekten, zum Beispiel einem Kartenspiel, können diese Abklärungen sehr stark in die Tiefe gehen.»

Je nach Lehrmittel begleitet die elfköpfige Herstellung ein Projekt mit Unterbrüchen auch mal über ein Jahr lang. Mindestens ein Monat muss dabei für den Druck des Buches eingeplant werden.

Die Arbeit der Herstellung sei durch die digitalen Ausgaben über die Jahre immer vielseitiger und komplexer geworden, erzählt Irene Kleiner. Zu den klassischen E-Lehrmitteln, welche die beook-App und die E-Books beinhalten, sind in den letzten vier Jahren die my-Plattformen hinzugekommen. Die Herstellung übernimmt zahlreiche interne Arbeiten wie zum Beispiel die Datenkontrolle oder die Produktionsorganisation und arbeitet regelmässig mit über 20 externen Partnern zusammen. Dazu gehören unter anderem Druckereien, Bildbearbeiter*innen, Grafiker*innen oder Programmierer*innen. Mit der Autorenschaft hingegen habe die Herstellung eher selten direkten Kontakt, sagt Kleiner. «Wir sind aber immer froh um deren Denkanstösse.»

Weshalb sollte ein*e Autor*in zum hep Verlag kommen?
Eine Zusammenarbeit mit dem hep Verlag bringt für eine*n Autor*in gleich eine ganze Reihe von Vorteilen mit sich. Er oder sie profitiere zum Beispiel von der professionellen Unterstützung, den zahlreichen Kontakten und der grossen Erfahrung, welche der Verlag zu bieten habe, sagt Bettina Jossen. «Wir sind ein Schweizer Verlag und kennen daher die hiesige Bildungslandschaft sehr gut.» Gleichzeitig sei das Mitspracherecht der Autorenschaft beim hep Verlag gross.

Sie profitiere zudem davon, dass der Verlag ein fertiges Lehrmittel lagern, vertreiben und bewerben könne, sagt Jossen. Gerade wenn es um die Digitalisierung eines Lehrmittels gehe, seien das Knowhow und die organisatorischen sowie administrativen Möglichkeiten eines Verlags von Vorteil. «Wir können zum Beispiel ein digitales Lehrmittel über unseren Onlineshop anbieten, was für eine Privatperson meist nicht so einfach ist», sagt die Lektorin.

Der hep Verlag sei sehr offen, sagt Geraldine Blatter. «Wir prüfen jedes Projekt, das bei uns eingereicht wird.» Immer wieder sei man auch bereit, etwas besonders Innovatives zu veröffentlichen, für das der Markt eigentlich noch gar nicht bereit sei. «Ich höre oft, dass der hep Verlag ein wenig anders tickt». Blatter glaubt, dass dies auch damit zu tun hat, dass beim hep Verlag viel Wert auf die persönlichen Beziehungen gelegt wird. «Für uns ist es wichtig, dass sich die Leute bei uns wohlfühlen.» Ihnen werde rasch das Du angeboten, man treffe sich gemeinsam zum Essen und tausche sich aus. «Die Leute schätzen es, dass wir auf Augenhöhe mit ihnen diskutieren», sagt Blatter. Obwohl der Verlag über die letzten 25 Jahre stark gewachsen ist, sei er immer nahbar geblieben.

Bei einem neuen Lehrmittel sitzen Verlag und Autor* in laut Geraldine Blatter im gleichen Boot und riskieren gemeinsam etwas. «Im Idealfall zahlt sich dieses Wagnis für beide Seiten aus» sagt sie. Das gilt auch für den finanziellen Aspekt: Die Autor*innen erhalten für die Ablieferung des Manuskripts keine einmalige Bezahlung, sondern werden mit einem marktüblichen Honorar am Nettoerlös beteiligt. Je besser sich ihr Werk verkauft, desto mehr Honorar erhalten sie. Ob ein Buch erfolgreich sei, messe der Verlag aber nicht nur daran, ob es sich gut verkaufe und auf dem Markt behaupte, sagt Blatter. «Für uns ist es auch dann ein Erfolg, wenn alle Beteiligten mit dem Ergebnis glücklich sind.»